Einrichtungen der musikalischen Bildung geraten zunehmend unter Druck – Landesverband fordert Schulterschluss von Kommunen und Land.

Die öffentlichen Musikschulen in Niedersachsen geraten aufgrund allgemeiner Kostensteigerungen und zunehmender Aufgaben sowie durch Personalmangel und äußere Einflüsse immer stärker in Schieflagen und in teils existenzbedrohende Situationen. So sorgt ein Urteil des Bundessozialgerichts (sog. „Herrenberg-Urteil“) bei den Musikschulträgern seit Jahresbeginn für Unruhe und Unsicherheit. Demzufolge müssen allein in Niedersachsen fast tausend Honorarkräfte in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse überführt werden. Der Landesverband niedersächsischer Musikschulen rechnet mit zusätzlichen Kosten in Höhe von jährlich rund 8 Millionen Euro sowie Nachforderungen der Rentenversicherungsträger in noch nicht bezifferbarer Höhe. Von den Auswirkungen des Urteils sind vor allem Musikschulen in privatrechtlicher gemeinnütziger Trägerschaft in ländlichen Räumen betroffen. Einzelne Einrichtungen bereiten sich bereits auf die Zahlungsunfähigkeit vor.

Angesichts der wachsenden Aufgaben, die von den Musikschulen im Landesinteresse erfüllt werden, fordert der Landesverband niedersächsischer Musikschulen eine deutliche Erhöhung der Landesförderung.  Während die Kommunen und Landkreise in Niedersachsen jährlich rund 45 Millionen Euro aufwenden und damit rd. 50 % der Einrichtungskosten tragen, betrug der Anteil, den das Land zur strukturellen Finanzierung der Bildungseinrichtungen beiträgt, mit 1,3 Mill Euro zuletzt nur noch ca. 1,5 % der Gesamtausgaben. Der Landesverband fordert einen Finanzierungsanteil i. H. v. mindestens 10 %. Dieser Wert entspricht der von den Bundesländern durchschnittlich geleisteten Förderung.

Die rot-grüne Regierungskoalition hat sich im vergangenen Jahr klar zur Verantwortung des Landes für die musikalische Bildung bekannt und die strukturelle Landesförderung für öffentliche Musikschulen nach Jahren der Stagnation erfreulicherweise um 2 Millionen Euro aufgestockt. Gleichzeitig wurden weitere Mittelaufwüchse in Aussicht gestellt, um die Musikschulen im Land zukunftsfest aufzustellen und vor allem die Breitenarbeit und die Förderung des pädagogischen und künstlerischen Berufsnachwuchses abzusichern.

„Die Musikschulen leisten viel im Flächenland Niedersachsen und wir sind der Überzeugung, dass nach 20 Jahren eine bessere Finanzierung durch das Land längst fällig ist. Deshalb überprüfen wir mögliche strukturelle oder Gesetzesänderungen, um die Förderung den aktuellen Bedarfen anzupassen. Klar ist, dass zwei Millionen Landesmittel zusätzlich nur ein erster Schritt sein können.“

Falko Mohrs, Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur (2023)


Auf den Punkt gebracht:

  • Die 74 öffentlichen Musikschulen sind kommunal verantwortete Einrichtungen mit einem Bildungsauftrag. Die Erfüllung dieses gesellschaftlichen Auftrags ist akut gefährdet.
  • Das BSG-Urteil („Herrenberg“) führt bei der Mehrheit der 74 öffentlichen Musikschulen Niedersachsens zu einem strukturellen Umbruch mit erheblichen finanziellen Folgen für die betroffenen Träger. Diese sind gehalten, Honorarkräfte entweder in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse umzuwandeln oder aber das Bildungsangebot massiv einzuschränken. Dies betrifft auch die Bildungskooperationen von Musikschulen mit Kitas und Schulen.
  • Gute Arbeit kostet Geld. Auch an den Musikschulen sind attraktive und sichere Arbeitsplätze die wichtigste Grundlage dafür, qualifizierte Lehrkräfte gewinnen und auch halten zu können. Der Landesverband niedersächsischer Musikschulen begrüßt insoweit das BSG-Urteil in seinem Kern.
  • Nicht alle problematischen Entwicklungen sind dem BSG-Urteil geschuldet. Kostensteigerungen, Fachkräftemangel und komplexe Transformationsprozesse sind nur einige Herausforderungen, denen sich Musikschulen stellen müssen und die zu einer Erosion des Bildungsangebots insbesondere im ländlichen Raum führen.
  • Der Landesverband ist dankbar für die politische Wertschätzung der Musikschularbeit, die jüngst zu einem Aufwuchs der Landesförderung geführt hat. Die Folgewirkungen des BSG-Urteils absorbieren diese zusätzlichen Landesmittel jedoch vollständig. Gleichzeitig steigt der Kostendruck auf die kommunalen Träger.
  • Die Finanzierung der Musikschulen ist Aufgabe der Kommunen und des Landes. Eltern und Kommunen dürfen angesichts der aktuellen Entwicklungen nicht im Stich gelassen werden. Um die Musikschulen ausreichend finanziell auszustatten, fordert der Landesverband einen Schulterschluss von Kommunen und Land.