Holger Denckmann, Leiter der Musikschule der Stadt Oldenburg, zur Zukunft der Musikpädagogik

Ein Musikstudium eröffnet viele Chancen

In den nächsten Tagen wird Oldenburg voller Musik sein. An über 20 Wertungsorten werden fast 2.500 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus ganz Deutschland und den deutschen Schulen im Ausland, ihr musikalisches Können unter Beweis stellen. Der Bundeswettbewerb Jugend musiziert kommt in die Stadt! Er findet nach 3 Jahren Zwangspause nun wieder ohne Einschränkungen statt. Die beeindruckenden Wettbewerbsprogramme werden so für jede und jeden erlebbar und das komplett kostenfrei. Ich kann nur herzlich dazu einladen diese einmalige Gelegenheit wahrzunehmen und die Wertungsspiele zu besuchen.

Unabhängig von den Bewertungen der Fachjurys und dem Vergleich untereinander, zeigt das Zusammenkommen so vieler derart musikbegeisterter junger Menschen, welche Kraft vom Musizieren und ganz besonders vom gemeinsamen Musizieren ausgeht. Jedes Volk der Welt musiziert. Musik ist ein Grundbedürfnis. Als Musikpädagoge argumentiere ich viel mit den sogenannten Transfereffekten, also positiven „Nebenwirkungen“, die sich beim Musizieren einstellen und weshalb es genau deshalb so sinnvoll ist, sich in jedem Alter und jeder Entwicklungsphase mit Musik zu beschäftigen. Warum nun aber genau sich Menschen intensiv mit Musik auseinandersetzen, zum Teil jahrzehntelang und unter großem persönlichem und zeitlichem Einsatz üben, kann nicht erklärt werden. Musik beginnt dort, wo Worte aufhören und muss erfahren werden.

Ich würde mir wünschen, dass wieder mehr junge Menschen in ihrem Wunsch bestärkt werden, Musikerinnen und Musiker zu werden. Es fehlt an allen Ecken und Enden an Nachwuchskräften. Dies hat zur Folge, dass noch weniger Menschen an Musikberufe herangeführt werden und der in vielen Bereichen um sich greifende Fachkräftemangel die Musikpädagogik schon längst miteinschließt. Ohne die vielen ausländischen Lehrkräfte an Musikschulen, sähe die Situation noch viel trüber aus. An allgemeinbildenden Schulen ist Musik zu häufig gar nicht im Lehrangebot vorhanden oder wird fachfremd unterrichtet. Im ländlichen Bereich ist dies bereits jetzt ein großes Problem. Vor fast 20 Jahren, nach meinem Abitur in Lübeck, habe ich mich nicht getraut meinem Lehrer zu erzählen, dass ich von einem Musikstudium träume. Zu groß war die Sorge, wieder einmal zu hören zu bekommen, dass es besser sei Musik als Hobby zu behalten und lieber einen „richtigen Beruf“ zu erlernen. Ich hatte Sorge, dass mir mein Wunsch ausgeredet wird. Heute empfehle ich Jugendlichen, den Weg in eine musikalische Berufsausbildung zu gehen. Ein Musikstudium eröffnet viele Chancen und Musikpädagoginnen und Musikpädagogen werden mehr denn je gebraucht. Auch wenn ich an dieser Stelle nicht verschweigen möchte, dass es in Sachen Arbeitsbedingungen und gesellschaftlicher Anerkennung in den allermeisten Musikberufen noch deutlich Luft nach oben gibt. Der Idealismus, der den meisten Musikerinnen und Musikern eigen ist, wird hier noch viel zu oft ausgenutzt. Ich bin daher sehr dankbar für die breite Unterstützung, die die Musikpädagogik in Oldenburg von vielen Seiten erfährt.

Verständigung, Zusammenhalt, gesellschaftliche Teilhabe, Inklusion... all das brauchen wir als Gesellschaft und all das kann und schafft Musik. Zugegeben, nicht immer gibt die Musik alles freiwillig heraus. Jede und jeder, der ein Instrument erlernt (hat), weiß welche Geduld, welche Frustrationstoleranz und welches Durchhaltevermögen hierbei hin und wieder aufgebracht werden müssen. Ob Konzertbesuch, Instrument oder eigene Singstimme, es lohnt sich dranzubleiben, neu oder wieder anzufangen. Versprochen!

Der Text erschien am 01.06.2022 als Gastbeitrag in der NWZ: https://www.nwzonline.de/plus-kultur/oldenburg-gastbeitrag-ein-musikstudium-eroeffnet-viele-chancen_a_51,7,3286468536.html